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19. Juli 2024

Prekäre Erlössituation trotz steigendem Pflegebedarf: Altersmediziner fordern bessere Finanzierung für Rehabilitationskliniken

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach vermeldete kürzlich den explosionsartig gestiegenen Pflegebedarf – jedoch im gleichen Atemzuge, dass eine Finanzreform in dieser Legislaturperiode nicht mehr zu schaffen sei. Da gleichzeitig aber auch die Pflegekosten und damit der Eigenanteil in die Höhe schießen, änderten sich vergangene Woche die Töne des Ministers. So keimt Hoffnung bei den Altersmedizinern mit Blick auf ein weiteres großes Problem: „Wird das Thema Finanzierung der Pflege jetzt doch angegangen, dann muss unbedingt an die unterfinanzierten geriatrischen Reha-Kliniken gedacht werden“, appelliert Professor Markus Gosch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) an die Regierung. Denn immer noch steht ein Großteil der 168 geriatrischen Rehabilitationsklinken in Deutschland vor großen Finanzierungsproblemen. Einige Einrichtungen mussten bereits schließen. „Fehlen weitere Reha-Plätze für ältere Patienten, wird der Pflegebedarf hierdurch aber nochmals ansteigen“, gibt Gosch zu bedenken. „Die Probleme werden sich nur verschärfen, wenn wir jetzt nicht handeln!“ Die Forderung der Altersmediziner: Rahmenbedingungen für eine besser finanzierte, flächendeckende Versorgung mit ambulanter und vollstationärer geriatrischer Rehabilitation schaffen! Und zwar jetzt!

Hintergrund ist die prekäre Erlössituation der Einrichtungen, die zusammen über rund 8.560 Betten verfügen. Für die vollstationäre geriatrische Rehabilitation erhalten viele Kliniken von den Krankenkassen weniger als 250 Euro pro Tag und Patient. „Damit ist eine angemessene therapeutische und pflegerische Versorgung rund um die Uhr heute kostendeckend nicht mehr zu leisten“, erklärt Professor Rainer Wirth, Past President der DGG und Direktor der Klinik für Altersmedizin und Frührehabilitation am Marien Hospital Herne – Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum.

Leidtragende seien in der Folge hochaltrige Patientinnen und Patienten, die ohne eine entsprechende Behandlung immobiler und pflegebedürftiger werden. „Gerade in Anbetracht der nun kommenden Babyboomer-Generation ist eine Verknappung der Ressourcen in der geriatrischen Rehabilitation nicht hinnehmbar.“ Statt der erwarteten Zunahme um jährlich 50.000 Pflegebedürftige in Deutschland seien es laut Bundesgesundheitsministerium nun 360.000 Betroffene!

Schließungen im Stillen – Hohe Dunkelziffer – Runder Tisch ergebnislos

„Trotz des durch den demografischen Wandel zu erwartenden steigenden Bedarfs erreichen uns immer wieder Nachrichten, dass vollstationäre geriatrische Rehabilitationseinrichtungen ihre Betten reduziert haben oder gar ganz schließen“, sagt DGG-Präsident Gosch, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin mit Schwerpunkt Geriatrie am Klinikum Nürnberg der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Nürnberg. Bekanntes Beispiel sei das Bürgerspital in Würzburg, das bereits 2020 den Betrieb im vollstationären Bereich einstellen musste. Ein Runder Tisch mit dem bayerischen Gesundheitsministerium im vergangenen Jahr blieb weitgehend ergebnislos.

„Würzburg ist dabei kein Einzelfall. Wir rechnen mit einer hohen Dunkelziffer.“ Es gäbe Abteilungen, die den Betrieb einfach geräuschlos runterfahren und einstellen, sich aber gar nicht offiziell abmelden. So könne der Träger eine Wiedereröffnung recht unbürokratisch ohne neues Anmeldeverfahren lösen. Klar ist auch: „Steigende Personalkosten, die Inflation und immer kränkere Patienten haben die Situation noch verstärkt“, so Gosch.

Selbständigkeit älterer Menschen führt zur Kostenreduktion in der Pflege

Aus Sicht der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie sei die Vergütung der geriatrischen Rehabilitation gut investiertes Geld, das die Lebensqualität und Selbständigkeit von älteren Menschen verbessert und zu einer Kostenreduktion im Bereich der Pflege beiträgt. „Zudem können mit einer höheren Vergütung der geriatrischen Reha-Einrichtungen auch die Akutkliniken – die klassischen Krankenhäuser – deutlich entlastet werden. Daher muss die Gesundheitspolitik jetzt, gerne auch in der Sommerpause, über eine einheitliche und realistische Finanzierung nachdenken“, erklärt DGG-Vorstandsmitglied Wirth.

Die Grundlage für eine einheitliche Vergütung von Leistungen in den Akutkliniken bildet der sogenannte Basisfallwert. Die Tagessätze der Rehabilitationskliniken werden hingegen weiterhin noch individuell zwischen den Krankenkassen und Rehabilitationskliniken vereinbart. „Wir brauchen auch hier eine verlässliche Finanzierungsgrundlage für alle“, so der Mediziner.

Statt Reha in die Kurzzeitpflege: Bedarf kann längst nicht mehr gedeckt werden

Die Betroffenen haben eigentlich einen gesetzlichen Anspruch auf die Durchführung einer geriatrischen Rehabilitationsmaßnahme – mit dem Ziel, Pflegebedürftigkeit zu minimieren und damit die Selbstständigkeit zu erhalten. Doch statt zu einer Rehabilitation geht es dann für Patientinnen und Patienten immer häufiger in die Kurzzeitpflege. Aber auch in diesem Bereich besteht ein enormer Aufnahmedruck, da der Bedarf längst nicht mehr gedeckt werden kann.

Oft bleibt den Reha-Einrichtungen gar keine andere Wahl, als die niedrigen Tagessätze der Krankenkassen zu akzeptieren. Die jeweilige Klinik ist schließlich auf die Zuteilung der Patientinnen und Patienten von möglichst vielen Kassen angewiesen.

Niedrige Tagessätze der Krankenkassen führen zu Bettenreduktion und langen Wartezeiten

Die Konsequenzen sind vielfältig und beschränken sich nicht allein auf die Patientinnen und Patienten, die keine geriatrische Rehabilitationsmaßnahme erhalten. Auch für die Akutkrankenhäuser haben die Bettenreduktionen und Schließungen im Reha-Bereich unmittelbare Folgen. Lange Wartezeiten führen zu längeren Verweildauern in Akutkliniken.

„Die Menschen in Deutschland werden deutlich älter. Der Pflegebedarf steigt jedes Jahr an. Deswegen müssen wir jetzt dringend für den Erhalt und Ausbau der geriatrischen Rehabilitationskliniken kämpfen. Nur so lässt sich die Pflegebedürftigkeit einer ganzen Generation deutlich verringern“, erklärt DGG-Präsident Gosch.

Foto: Klinikum Nürnberg und Marien Hospital Herne

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