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Schöller-Preis für Altersmedizin: Demenz – körperliche und soziale Folgen
(14.12.2015) Mit einem Preisgeld von insgesamt 20.000 Euro ist der Theo-und-Friedl-Schöller-Forschungspreis der höchst dotierte Preis der Altersmedizin in Deutschland. Die gleichnamige Stiftung und das Zentrum für Altersmedizin des Klinikums Nürnberg zeichnen herausragende Arbeiten aus, die sich mit den Belangen sehr alter Menschen befassen und neue Aspekte in Forschung, Lehre und Versorgung eröffnen. In diesem Jahr sind dies zwei Arbeiten, die sich wegweisend mit den körperlichen und sozialen Folgen von Demenzerkrankungen auseinandersetzen.
Hauptpreis: Schluckstörungen und Demenz
Den Hauptpreis, dotiert mit 15.000 Euro, erhält Privatdozent Dr. Alexander Rösler, von der Abteilung für Geriatrie des Katholischen Marienkrankenhauses in Hamburg. Er stellte fest, dass die Nahrungskonsistenz eine wichtige Rolle dafür spielt, ob Schluckstörungen gravierende gesundheitliche Folgen wie eine Lungenentzündung nach dem Eintritt von Nahrung oder Flüssigkeit in die Lunge haben.
Rösler untersuchte die Häufigkeit und die Art von Schluckstörungen bei 161 Patienten mit unterschiedlichen demenziellen Syndromen und 30 Kontrollpersonen. Die Ergebnisse der Studie sind von erheblicher Bedeutung, schließlich ist die Lungenentzündung die Haupttodesursache bei Demenz. Ein großer Teil dieser Pneumonien wird durch den Eintritt von Nahrung oder Flüssigkeit in die Lunge (Aspiration), also letztlich durch Schluckstörungen, so genannte Dysphagien, verursacht.
Rösler untersuchte diese Schluckstörungen in Abhängigkeit von der Nahrungskonsistenz und der Schwere der kognitiven Einschränkung. Sein Ergebnis war eindeutig: Die Nahrungskonsistenz (flüssig, gemischt oder püriert) spielt für die Häufigkeit von Aspirationen eine wichtige Rolle. So fanden sich Zeichen einer Aspiration bei der Einnahme von Wasser bei knapp 36 Prozent der Patienten mit Demenz, beim Essen eines Apfelstücks bei 15 und bei Apfelpüree nur bei 6 Prozent. Bei den Kontrollpersonen, die nicht an einer Demenz erkrankt waren, lagen die Werte weit darunter (6,7 bis 3 Prozent). Mit zunehmender kognitiver Einschränkung nahmen auch die Häufigkeit einer Dysphagie und die Häufigkeit von Aspirationen zu.
Rösler hat damit die bisher größte Studie zum Thema durchgeführt. Aufgrund der Ergebnisse empfiehlt er für den klinischen Alltag das Andicken von Getränken und das Vermeiden krümeliger und gemischter Nahrungskonsistenzen. Mit dem Preisgeld will er nun in einer zweiten Studie eine mögliche Behandlung von Dysphagie bei Demenz überprüfen. Da übliche rehabilitative Maßnahmen eine aktive Mitarbeit des Patienten und einen bewussten Transfer in den Alltag erfordern, ist die Therapie einer Dysphagie bei Patienten mit demenziellen Erkrankungen schwierig.
Rösler ist in Kassel geboren und studierte Medizin an der Freien Universität Berlin. Er promovierte 1993 in der Kinderheilkunde. Zunächst arbeitete er als Assistenzarzt an der Neurologischen Universitätsklinik Marburg, dann an der Psychiatrischen Universitätsklinik Basel und der Neurologischen Universitätsklinik Frankfurt. 2004 wurde er Oberarzt am Albertinen Haus, Zentrum für Geriatrie und Gerontologie, der Universität Hamburg. 2004 erhielt er auch den Preis für Hirnforschung in der Geriatrie. Er habilitierte 2005 zum Thema „Veränderungen selektiver, visuell-räumlicher Aufmerksamkeitsparameter im Alter und im frühen Stadium demenzieller Erkrankungen“. Seit November 2012 ist er Oberarzt der Geriatrie im Katholischen Marienkrankenhaus in Hamburg.
Anerkennungspreis: Paarkonflikte bei Demenz
Den mit 5.000 Euro dotierten Anerkennungspreis erhält Dr. phil. Florian Bödecker, vom Zentrum für allgemeine wissenschaftliche Weiterbildung an der Universität Ulm und zuvor beim Netzwerk Alternsforschung an der Universität Heidelberg. Von Oktober 2010 bis zum März 2014 forschte Bödecker zum Thema „Paarkonflikte bei Demenz – Vom Finden einer neuen Balance zum Finden einer neuen Basis“. Hauptergebnis: Paare haben vor allem Probleme, externe oder auch gegenseitige Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Die von der Robert-Bosch-Stiftung finanzierte Studie erfolgte in Kooperation mit ehrenamtlichen Betreuungsvereinen, Alzheimer- Gesellschaften und Angehörigen-Initiativen. Ausgangspunkt der Studie war, dass Menschen in intimen Beziehungen heute gute Chancen haben, miteinander alt zu werden.
Die Qualität dieser Zweierbeziehung gewinnt im Alter an Bedeutung für das Wohlbefinden beider Partner, wird aber insbesondere bei der Demenzerkrankung eines Partners vor besonderen Herausforderungen gestellt: Der Mensch mit Demenz sieht sich durch eine unsichere Zukunft und dem Verlust von Kontrolle bedroht und hat Angst, wie sich die Demenz auf seine Beziehungen zum Ehepartner und zur Familie auswirken wird. Der pflegende Ehepartner ist durch die Veränderungen in der Beziehung zum Menschen mit Demenz belastet, die sich durch die Verhaltensveränderungen ergeben.
Das birgt jede Menge Konfliktpotenzial. In seiner Studie analysierte Bödecker diese Paarkonflikte vom Standpunkt beider Partner aus. Zu diesem Zweck führte er mit betroffenen Paaren Paar- und Einzelinterviews.
Akzeptanz von Hilfe ist das Hauptproblem
Die Auswertung zeigte, dass der zentrale Konflikt, der alle Paare betrifft, um Akzeptanz oder Widerstand gegenüber der gegebenen Hilfe kreist. Damit verbunden sind Konflikte um die Akzeptanz der Realität und den Erhalt des Selbstwerts bzw. der Konfrontation mit Fehlern. Bei fortgeschrittener Demenz verschieben sich diese Konflikte auf die nonverbale Ebene und kreisen um die Versöhnung unterschiedlicher Realitäten sowie den sozialen Sinn von Aufforderungen.
Bei der Bewältigung dieser Paarkonflikte geht es, so Bödecker, zunächst darum, dass beide Partner eine neue Balance hinsichtlich der Frage „Eingreifen oder selbstständig Bleiben“ finden müssen. Später geht es dann um eine ganz neue Basis für die Beziehung, die ihr Fundament in der emotionalen Nähe und einem gutem Verhältnis von einfühlsamem Führen und vertrauensvollem Sich-Führen-Lassen hat.
Bödecker studierte Erziehungswissenschaften an der Universität Hildesheim und der Freien Universität Berlin. Von 2010 bis April 2014 war er Stipendiat des „Graduiertenkollegs Demenz“ des Netzwerks Alternsforschung der Universität Heidelberg. Er promovierte über die „Paarkonflikte bei Demenz“. Seit Mai 2015 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter für die Weiterentwicklung innovativer Bildungskonzepte für Ältere beim Zentrum für allgemeine wissenschaftliche Weiterbildung (ZAWiW) an der Universität Ulm.
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